Hintergründe
Reisen hat viele Gesichter
Immer mehr Menschen verreisen immer öfter und immer weiter – um sich zu erholen, um fremde Länder kennenzulernen. 1,8 Milliarden Tourist:inneen werden 2030 jährlich auf dem Globus unterwegs sein, so prognostiziert es die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen UNWTO. Das birgt Chancen wie Risiken. Denn Reisen hat viele Facetten – es erweitert den Horizont, ermöglicht menschliche Begegnungen. Es kann jedoch auch zu Überfremdung führen: wenn Tourist:innenströme, Hotelanlagen und Freizeitparks überhandnehmen und damit die Identität einer Destination gefährden. Die Tourismusbranche ist die drittgrößte Industrie der Welt, ein wichtiger Arbeitgeber und Devisenbringer. Doch nicht alle profitieren gleichermaßen. Von den Gewinnen kommt bei der Bevölkerung häufig zu wenig an – die negativen Folgen wie die Belastung von Umwelt und Klima indes schon. Gerade der Trend zu Fernreisen, häufig in Entwicklungs- und Schwellenländer, verschärft diese Problematik. Doch wie gelingt ökologisch und sozial verträgliches Reisen im 21. Jahrhundert? Wie können möglichst viele an der Wertschöpfung des Tourismus teilhaben? Wie kann die kulturelle Vielfalt eines Landes erhalten bleiben?
Tourismus schafft Perspektiven...
Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Antworten auf diese Fragen zu finden und neue Wege im Tourismus zu gehen – seit 30 Jahren. Der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung e.V. ist einer der Wegbereiter eines ganzheitlich orientierten, umwelt- und sozialverträglichen Tourismus und einer interkulturellen Reisekultur. In diesem Kontext sind wir in Forschung und Beratung tätig, veranstalten Seminare und Gesprächsreihen, führen internationale Wettbewerbe durch und leisten durch unsere Publikationen entwicklungsbezogene Informations- und Bildungsarbeit im Tourismus. Wir besitzen eine jahrzehntelange Expertise darin, wie die Potenziale des Tourismus genutzt werden können, insbesondere in strukturschwachen Ländern. Denn wenn Tourismus nachhaltig gestaltet wird, also umwelt- und sozialverträglicher und ökonomisch ergiebiger, kann er nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch gesellschaftlichen Fortschritt bringen – in Form von Teilhabe, Chancengleichheit und der Stärkung der eigenen Identität. Aus diesem Grund hat der Studienkreis bereits 1995 den internationalen Wettbewerb „TO DO Award“ für sozialverantwortlichen Tourismus, initiiert. Dieser prämiert touristische Projekte, in deren Planung und Realisation die einheimische Bevölkerung eng mit einbezogen wird. Darüber hinaus loben wir seit 2016 den „TO DO Award Human Rights in Tourism“ aus – für Personen oder Initiativen, die sich um die Menschenrechte im Tourismus verdient gemacht haben.
...und verändert Sichtweisen
Wir möchten, dass die Chancen, die sich durch den Tourismus ergeben, erkannt und gefördert werden. Reisen kann zur Verständigung zwischen den Kulturen führen, daher engagieren wir uns im Bereich des interkulturellen Lernens. Seit 30 Jahren führen wir die lange Tradition der SympathieMagazine fort, die 1974 durch den ehemaligen Studienkreis für Tourismus in Starnberg erstmals herausgegeben wurden. Verfasst von ausgewiesenen Landeskenner:innen, liefert die Reihe nicht nur profunde Hintergrundinformationen, sondern weckt Neugierde, Verständnis, ja eben Sympathie für fremde Länder und ihre Menschen – ein seit über vier Jahrzehnten erfolgreiches Konzept, das mehrfach ausgezeichnet wurde. Doch nicht nur die SympathieMagazine spielen bei der Einstimmung auf Land und Leute eine wichtige Rolle. Was Tourist:innen in einem fremden Land wahrnehmen, erleben und lernen hängt auch entscheidend von einer qualifizierten Reiseleitung und Urlaubsbetreuung ab. Im Rahmen der „Intercultural Tour Guide Qualification“ führen wir daher interkulturelle Seminare für Reiseleiter:innen durch – denn diese können Tourist:innen für die kulturellen, religiösen oder politischen Hintergründe eines Landes sensibilisieren.
Unsere Wegbegleiter
Natürlich sind wir unseren Weg nicht alleine gegangen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) fördert im Rahmen unserer entwicklungsbezogenen Informations- und Bildungsarbeit die Herausgabe der SympathieMagazine sowie die Durchführung weiterer Projekte. Auch Ministerien aus der Jugend- und Umweltpolitik, renommierte Organisationen wie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sowie kirchliche Einrichtungen wie das Internationale Katholische Missionswerk (missio), Brot für die Welt - Tourism Watch und die Aktion der deutschen Katholiken für Lateinamerika (adveniat) zählen zu unseren Förderern. Wir kooperieren eng mit der Tourismuswirtschaft, namhafte Reiseveranstalter sind unsere Partner:innen und Kund:innen.
Der Erfolg gibt uns Recht
Die Zukunft des Tourismus soll nachhaltig sein – das ist seit 2017 die Losung der Welttourismusorganisation UNWTO. Auch die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen UNO sehen vor, dass bis 2030 weltweit Konzepte eines nachhaltigen Tourismus umgesetzt werden. Dies bestätigt uns in unserem Leitbild und in unserer jahrzehntelangen Arbeit. Wohin dieser Weg führen kann, zeigen auch erfolgreiche Geschäftsmodelle in der Tourismusbranche: Immer mehr Veranstalter bieten nachhaltige Reisen an und engagieren sich über Stiftungen für sozial- und umweltverträgliche Projekte in den Gastländern. Mittlerweile gibt es weltweit mehr als 100 Nachhaltigkeitssiegel und -zertifikate für touristische Unternehmen, Unterkünfte, Regionen oder Produkte. Das trifft den Zeitgeist, denn laut Reiseanalyse 2018 wünschen sich 52 Prozent der Deutschen einen ökologisch wertvollen Urlaub und 60 Prozent möchten sozialverträglich verreisen. Politik, Unternehmen und die Reisenden haben erkannt, dass es allen zugutekommt, wenn man sorgsam mit den Ressourcen des Gastlandes umgeht und die Menschen vor Ort fair behandelt.
Wege entstehen dadurch, dass man sie geht
Dennoch, es gibt weiterhin viel zu tun. Die Tourismusbranche ist dynamisch, die Reiseströme zwischen Quellmärkten und Urlaubsdestinationen verändern sich stetig und die Zahl der Tourist:innen steigt. Vor dem Hintergrund einer weltweiten Mobilität von über einer Milliarde Menschen werden nachhaltige Strategien umso bedeutender. Wie lässt sich „Overtourism“ vermeiden bzw. wie kann man seinen Folgen sinnvoll begegnen? Und wie beeinflusst ein gesellschaftlicher und technischer Wandel das Reiseverhalten? Wie wirken sich politische Entscheidungen oder terroristische Anschläge auf das Reiseverhalten und die Tourismusbranche aus? Wie gehen wir im Tourismus mit Menschenrechtsverletzungen um? Der Studienkreis stellt sich aktuellen und manchmal unbequemen Fragen und setzt sich kritisch wie konstruktiv mit ihnen auseinander – in Form eigener Forschungsprojekte und Publikationen sowie in Veranstaltungsformaten wie dem „Ammerlander Gespräch“ und den „ZwischenRufen – ungefragt nachgefragt auf der ITB Berlin“. Wir schauen hin, fragen nach, machen aufmerksam, fördern den Dialog. Wir bringen die unterschiedlichen Akteure des Tourismus zusammen – um den eingeschlagenen Weg weiter gemeinsam zu beschreiten. Wir sind der Ansicht: Tourismus braucht Visionen!